Warum die Gemeinwohl-Bilanz Sinn stiftet – Wofgang Falkner fragt Gerd Hofielen
Auf dem BiolebensmittelCamp 2018
Ich habe auf eurer Website eure eigene Gemeinwohl-Bilanz gesehen. Wie aufwändig ist das für ein Unternehmen oder geht das ganz schnell und unkompliziert?
Es ist vertretbar. Deshalb haben auch wir, bei Humanistic Management Practices, eine eigene Gemeinwohl-Bilanz. Der Aufwand hängt von Größe und Komplexität des Geschäfts ab. Bei einer Firma mit 50 Mitarbeitern kann das 200 Mitarbeiter*innen-Stunden ausmachen. Was aber eine Kleinigkeit ist, angesichts der 80.000 Stunden, die dort pro Jahr insgesamt gearbeitet werden.
Die Rechenschaft, wie ein Unternehmen zu gesellschaftlichen Werten beiträgt, ist schon einen gewissen Einsatz wert und seit der CSR-Richtlinie auch Gesetz. Die Finanzbilanz zu erstellen ist wesentlich aufwändiger.
Ein Faktor der Gemeinwohl-Bilanz ist die soziale Gerechtigkeit im Unternehmen. Wann wird die Verteilung des Einkommens zu 100% gerecht? Oder anders gefragt, wieviel mehr darf der Inhaber verdienen als seine Mitarbeiter?
Das ist nicht eine Frage des „Dürfens“, sondern eine Frage der Transparenz.
Die Gemeinwohl-Bilanz bewertet die Themen der Unternehmensführung in ethischer Sicht.
Wenn das höchste Einkommen bis zum fünffachen des niedrigsten Einkommens beträgt, gibt es für dieses Thema die volle Punktzahl. Wenn mehr als das zwanzigfache verdient wird, kann es zu Negativpunkten kommen. Generell gilt, das höchste Einkommen ist eine Entscheidung im Unternehmen. Wenn transparent darüber berichtet wird, ist das aus Sicht der GWÖ in Ordnung.
In deiner Session beim BiolebensmittelCamp haben wir davon gesprochen, dass „Belohnung“ meist besser funktioniert als „Bestrafung“. Welche Anreize bietet hier die Gemeinwohl-Bilanz?
Ja, in der Session beim vergangenen BiolebensmittelCamp haben wir über solche „Belohnungen“ gesprochen. Hier gibt es mehrere Anreize: Die erste Belohnung ist die Klarheit über die Wertbeiträge für die Berührungsgruppen und die beruhigende Gewissheit, eine zukunftsorientierte, für alle Berührungsgruppen werteschöpfende Unternehmensführung zu praktizieren. Zweitens gibt es Belohnungen durch die Verbesserung wichtiger betrieblicher Leistungsfaktoren, wie z.B. die Kundenzufriedenheit.
Drittens gibt es Anerkennung vom Markt und aus dem Umfeld. Viertens kämpft die GWÖ für eine rechtliche Anerkennung gesellschaftlich nützlicher Unternehmensleistungen, die zu materiellen Vorteilen führen soll, z.B. einen besseren Zugang bei öffentlichen Vergaben. Das ist allerdings ein dickes Brett. Je mehr Unternehmen eine Gemeinwohl-Bilanz machen, desto leichter kann diese Perspektive erreicht werden.
Das Interview ist auf dem Blog des BiolebensmittelCamps veröffentlicht.